Das Zuhause, das eigene Heim: eigentlich der Ort, an dem man sich mit seiner Familie, seinen Liebsten in Sicherheit fühlen sollte. Doch leider finden wir die Sicherheit dort nicht immer: Wenn in den eigenen vier Wänden, also zwischen Menschen, die sich eigentlich nahestehen, Konflikte vorherrschen und mit Gewalt ausgetragen werden, dann spricht man von «Häuslicher Gewalt». Hierbei ist die Konfliktlösung keine Privatsache mehr, vor allem dann nicht, wenn Kinder beteiligt sind.

Definition

Häusliche Gewalt liegt vor, wenn Personen innerhalb einer bestehenden oder aufgelösten familiären, ehelichen oder eheähnlichen Beziehung physische, psychische oder sexuelle Gewalt ausüben oder androhen.

Phänomen und typische Merkmale

Wie zeigt sich Häusliche Gewalt?

  • Physische (körperliche) Gewalt ist die offensichtlichste, wenn auch nicht häufigste Gewaltform. Physische Gewalt reicht von tätlichen Angriffen (z.B. einer Ohrfeige) bis hin zu Tötungsdelikten.
    Eine weitere Form ist die sexuelle Gewalt. Dabei geht es um erzwungene sexuelle Handlungen bis hin zu Vergewaltigungen.
  • Für die Strafverfolgungsbehörden sind die häufiger vorkommenden psychischen Gewaltformen weniger offensichtlich und schwieriger zu beweisen, auch wenn diese für Betroffene nicht weniger Leid verursachen; die meisten dieser Formen können dennoch rechtlich geahndet und somit zur Anzeige gebracht werden, wie z.B. Drohung, Nötigung, Freiheitsberaubung und das Auflauern nach einer Trennung (Stalking).
  • Neben körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt gehören auch solche Verhaltensweisen zur häuslichen Gewalt, die in ihrer Gesamtheit darauf abzielen, das Opfer zu kontrollieren und seinen freien Willen einzuschränken oder zu unterdrücken. Dazu gehört soziale Gewalt wie Bevormundung, Verbote oder die strenge Kontrolle von Familien- und Aussenkontakten. Eine weitere Form sozialer Gewalt bildet die ökonomische Gewalt. Diese umfasst Arbeitsverbote oder Zwang zur Arbeit, Beschlagnahmung des Lohnes wie auch die alleinige Verfügungsmacht über finanzielle Ressourcen durch den Partner bzw. die Partnerin.
  • Häusliche Gewalt findet am häufigsten in erwachsenen hetero- oder homosexuellen Beziehungen (mit Kindern) statt. Es gibt jedoch noch eine Reihe von anderen Beziehungskonstellationen und Formen von Gewalt, die ebenfalls unter den Begriff häusliche Gewalt fallen. Dazu zählen Gewalt in Paarbeziehungen Jugendlicher, Zwangsheirat und Gewalt zwischen Zwangsverheirateten, sogenannte Ehrenmorde, Genitalverstümmelungen, Gewalt gegen Seniorinnen und Senioren im Familienverband, Gewalt von Eltern gegenüber Kindern und umgekehrt, Gewalt unter Geschwistern oder auch Stalking. 

Typische Merkmale häuslicher Gewalt

  • Häusliche Gewalt hat viele Gesichter und tritt in den verschiedensten Beziehungskonstellationen auf. Doch die meisten Formen häuslicher Gewalt haben folgende Gemeinsamkeiten:
  • Bei häuslicher Gewalt besteht zwischen der gewaltausübenden Person und dem Opfer eine emotionale Bindung. Auch (und gerade) nach Trennungen oder Scheidungen können verletzte Gefühle zu Gewalthandlungen führen.
  • Die Gewalt wird meist in der eigenen Wohnung/im eigenen Haus ausgeübt, also dort, wo man eigentlich Sicherheit und Geborgenheit finden sollte.
  • Häusliche Gewalt ist meist nicht ein einmaliger Ausbruch, sondern dauert über einen längeren Zeitraum an und kann mit der Zeit an Intensität gewinnen.
  • Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Dominanz und Kontrollverhalten in der Beziehung einerseits und Gewaltausübung andererseits. Bei häuslicher Gewalt nutzt die gewaltausübende Person oft ein Machtgefälle in der Beziehung aus.
  • Bei häuslicher Gewalt kann oft eine spezifische Dynamik – die sogenannte Gewaltspirale – festgestellt werden. Als Gewaltspirale bezeichnet man eine charakteristische Abfolge von Verhaltensmustern, verkürzt beschreibbar als Spannungsaufbau in der Beziehung, gefolgt von einem Gewaltausbruch. Im Anschluss daran stellt sich zuweilen Reue und eventuell auch eine vorübergehende Versöhnung ein. Nach dieser Phase baut sich die Spannung wieder von neuem auf; die Spirale dreht sich weiter. Charakteristisch dabei ist, dass es für die Beteiligten oft ausserordentlich schwierig ist, ohne äussere Hilfe aus diesem Muster auszubrechen.

Folgen Häuslicher Gewalt

Die negativen Folgen von häuslicher Gewalt zeigen sich auf gesundheitlicher, sozialer, finanzieller, aufenthaltsrechtlicher und nicht zuletzt auch auf volkswirtschaftlicher Ebene. Bei Opfern systematischer und fortgesetzter Gewalt zeigen sich oft physische und/oder psychische Beeinträchtigungen, die nicht selten mit selbst schädigendem Verhalten wie Suchtmittelmissbrauch einhergehen. Sozialer Rückzug bis zur Isolation durch Scham oder erzwungene finanzielle Abhängigkeiten (und finanzielle Schwierigkeiten bei Trennungen) sowie bei Opfern mit Migrationshintergrund zusätzlich die manchmal vorhandene Abhängigkeit ihres aufenthaltsrechtlichen Status vom Partner / von der Partnerin können die gesundheitlichen Folgen begleiten. Auch die Gesellschaft trägt die Kosten häuslicher Gewalt mit, die gemäss Untersuchungen jährlich bei einem dreistelligen Millionenbetrag liegen.

Rechtslage

Seit dem 1. April 2004 gilt gemäss Strafgesetzbuch (StGB), dass einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 2 Abs. 3-5 StGB), wiederholte Tätlichkeiten (Art. 126 Abs. 2 Bst. b, bbis und c StGB), Drohung (Art. 180 Abs. 2 StGB) sowie sexuelle Nötigung (Art. 189 StGB) und Vergewaltigung (Art. 190 StGB) in Ehe und Partnerschaft Offizialdelikte sind. Das heisst, dass diese Delikte von Amtes wegen verfolgt werden, sobald die Polizei Kenntnis von ihnen hat.

Verfolgt werden sowohl Gewalthandlungen zwischen Ehepartnern als auch zwischen heterosexuellen oder gleichgeschlechtlichen Lebenspartner/-innen mit einem gemeinsamen Haushalt auf unbestimmte Zeit oder bis zu einem Jahr nach deren Trennung. Die zwischen Lebenspartner/-innen begangenen Gewalthandlungen werden von Amtes wegen verfolgt, auch wenn diese je einen eigenen Wohnsitz haben oder getrennt leben oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung resp. Trennung.

Das Zivilgesetzbuch (ZGB) verpflichtet die Kantone zudem dazu, den Opfern von Gewalt, Drohungen und Nachstellungen Schutzmassnahmen zu gewähren, nämlich die Wegweisung der gewaltausübenden Person, Annäherungs- und Kontaktverbote sowie ein Verbot, sich an bestimmten Orten aufzuhalten. In den kantonalen Polizeigesetzgebungen bzw. in eigens erstellten Gewaltschutzgesetzen ist folglich geregelt, wie lange eine Person von ihrem Wohnort weggewiesen werden kann und in allen Kantonen können Rückkehr- und Annäherungsverbote ausgesprochen werden.

Die Gesetzgebung rund um das Thema häusliche Gewalt versucht den speziellen Umständen der betroffenen Personen gerecht zu werden und hat deshalb einige Besonderheiten vorgesehen, wie z.B. bestimmte Möglichkeiten, das Verfahren auf Antrag des Opfers einzustellen oder besondere Schutzrechte für Opfer im Strafverfahren.

Alle Opferberatungsstellen und andere auf häusliche Gewalt spezialisierten Institutionen bieten überdies Rechtsberatungen an und stellen detaillierte Informationen zur Rechtslage zur Verfügung.

Was tut die Polizei?

Bei ihrer Arbeit stellt die Polizei den Opferschutz an erste Stelle und kümmert sich dann darum, die Täterschaft zur Verantwortung zu ziehen. Idealerweise verläuft eine polizeiliche Intervention folgendermassen: Die Polizei lässt sich von den Opfern an Ort und Stelle über den Vorfall informieren. Sie befragt das Opfer getrennt von der gewaltverdächtigten Person. Sie klärt ab, ob Dinge passiert sind, die gegen das Strafgesetz verstossen. Bei erkennbaren Körperverletzungen begleitet sie das Opfer zur medizinischen Behandlung. Die Polizei informiert die Betroffenen über die möglichen rechtlichen Schritte. Weibliche Opfer werden, soweit möglich, von einer Polizistin befragt.

Auch wenn die Gewalt erst angedroht wurde und noch nichts Weiteres passiert ist, hat die Polizei Handlungsmöglichkeiten. Viele Polizeikorps haben ein Bedrohungsmanagement, das der Erkennung, Einschätzung und Entschärfung von Bedrohungslagen und Gefährdungssituationen dient. Das erlaubt eine Ansprache der mit Gewalt drohenden Person, bevor diese zur Tat schreitet und im Idealfall kann mit geeigneten Massnahmen die Bedrohungslage entschärft werden.

Nach polizeilichen Einsätzen, in die Kinder und Jugendliche involviert sind, informiert die Polizei die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Diese Behörde ist für die Abklärung der Situation und allfällige Massnahmen zum Schutz der Kinder zuständig. Die Benachrichtigung der KESB oder anderer auf Kinder spezialisierte Angebote bedeutet in den seltensten Fällen, dass die Kinder fremdplatziert werden. Vielmehr geht es darum, den betroffenen Kindern die bestmögliche Unterstützung zu ermöglichen.

Wurde Gewalt ausgeübt oder in massiver Weise angedroht und werden die Beteiligten weiterhin von der gewaltausübenden Person bedroht, kann die Polizei sofortige Massnahmen wie die Wegweisung der gewaltausübenden Person, ein Betretverbot der Wohnung oder ein Kontaktverbot anordnen. Solche Schutznormen dienen dem Opferschutz und es gibt sie in allen Kantonen. Diese Massnahmen gelten aber nur für kurze Zeit, nach einigen Wochen laufen sie ab. Die von häuslicher Gewalt betroffene Person muss aktiv werden und ein zivilrechtliches Verfahren vor Gericht einleiten, um einen längerfristigen Schutz durchsetzen zu können.

Wird nach dem Einschreiten der Polizei eine Strafuntersuchung gegen die gewaltausübende Person geführt und geht es um schwerere Delikte, kann die Strafuntersuchungsbehörde sogenannte Ersatzmassnahmen wie z.B. ein Kontakt- oder ein Rayonverbot erlassen, die an Stelle von Untersuchungshaft treten. Diese Ersatzmassnahmen dienen nicht primär dem Opferschutz, sondern stellen sicher, dass die beschuldigte Person der Bestrafung zugeführt werden kann. Hält sich die beschuldigte Person nicht an diese Massnahmen, wird sie wieder in Untersuchungshaft genommen.

Im Falle akuter Gewalt- oder Bedrohungslagen gibt es rund um die Uhr den Polizeinotruf (Tel. 117).

Was kann ich tun?

(Potenziell) Gewaltbetroffene

Wenn keine akute Gewaltsituation vorhanden ist, Sie jedoch in einer Beziehung leben, in der Sie sich in Ihren Freiheiten eingeschränkt fühlen, wenn Sie sich Ihrem Partner/Ihrer Partnerin nicht gewachsen fühlen oder Konflikte vorherrschen, reden Sie darüber! Kontaktieren Sie Freunde und Freundinnen oder eine Beratungsstelle. Es ist keine Schande, eine schlecht funktionierende Beziehung ändern zu wollen und sich Hilfe zu suchen. Im Gegenteil, brechen Sie Ihr Schweigen!

Wenn Sie sich bedroht fühlen oder sich gar schon in einer akuten Gewaltsituation befinden, rufen Sie die Polizei: Notruf 117. Die Polizei kann bei akuter Gewalt einschreiten, den Täter/die Täterin sofort aus der Wohnung weisen, dem Täter/der Täterin verbieten, gewisse Gebiete zu betreten und/oder Sie und Ihre Kinder zu kontaktieren. Dank den Schutzmassnahmen können Sie (und Ihr/e Kind/er) zu Hause bleiben und die nächsten Schritte planen.

  • Wenden Sie sich an eine kostenlose Opferberatungsstelle, wenn Sie ein Gespräch, eine rechtliche, psychische oder materielle Unterstützung benötigen.
  • Schützen Sie Ihre persönlichen Sachen (Identitätskarte, Bankkonto, Aufenthaltsbewilligung, Dinge, die Ihnen persönlich wichtig sind) und bringen Sie diese an einen sicheren Ort.
  • Für gewaltbetroffene Frauen: Wenn Sie die gemeinsame Wohnung trotz allen Massnahmen verlassen wollen oder müssen, bereiten Sie diesen Weggang gut vor. Packen Sie eine Tasche mit allem, was Sie brauchen. Melden Sie sich im Frauenhaus in Ihrer Nähe, wenn Sie niemanden im persönlichen Umfeld haben, der Ihnen konkret helfen kann.
  • Für gewaltbetroffene Männer ist das Beratungsangebot bei weitem (noch) nicht flächendeckend vorhanden. Informieren Sie sich bei Ihrer Opferhilfe bezüglich spezialisierten Angeboten in Ihrer Region.

(Potenziell) Gewaltausübende

Wenden Sie sich an eine Beratungsstelle für gewaltausübende Personen oder suchen Sie andere Unterstützungs- und Hilfsangebote (Hausarzt, Psychotherapie, Suchtberatungsstelle etc.) auf. Für gewaltausübende Männer bietet der Fachverband Gewaltberatung Schweiz (FVGS) Adressen bezüglich Hilfe für Gewaltausübende (Gewaltberatungsstellen und Lernprogramme) an. Gewaltausübende Frauen können sich bei der Opferhilfe über mögliche Angebote in der Wohnregion informieren.

  • Sprechen Sie mit Ihnen nahestehenden Personen über Ihre Gefühle. Schauen Sie, wie andere Menschen mit Drucksituationen und Wut umgehen.
  • Überlegen Sie sich, was Sie das nächste Mal tun wollen, wenn Sie aggressiv werden und keinen Ausweg sehen.
  • Es ist hilfreich, wenn Sie sich bei Konflikten und Stress zurückziehen. Verlassen Sie das Haus, wenn Sie merken, dass Sie sich nicht mehr unter Kontrolle haben. Machen Sie einen Spaziergang oder sprechen Sie mit einem Freund/einer Freundin.

(Potenzielle) Zeuginnen und Zeugen

Wissen oder ahnen Sie, dass in Ihrem Bekanntenkreis Gewalt geschieht? Hören Sie in Ihrer Nachbarschaft Hilfeschreie, oder gibt es andere Hinweise auf Misshandlungen?
Zeigen Sie Zivilcourage, aber spielen Sie nicht den Helden/die Heldin. Etwas zu unternehmen heisst bei Weitem nicht immer, direkt einzugreifen. Erkundigen Sie sich bei anderen Nachbarn oder Familienangehörigen, ob diese auch schon Beobachtungen gemacht haben oder sogar bereits aktiv geworden sind.

Es ist aber auf jeden Fall richtig, dass Sie etwas tun. Rechtzeitiges Handeln kann Leben retten.

  • Rufen Sie bei akuten Notsituationen die Polizei. Gefährden Sie sich nicht selber, indem Sie sich einmischen.
  • Sprechen Sie die gewaltbetroffene Person an, wenn Sie sie alleine antreffen. Zeigen Sie Verständnis und Mitgefühl.
  • Erklären Sie der Person, dass Gewalt im häuslichen Bereich kein privates Problem ist. Weisen Sie sie darauf hin, dass es in der Schweiz ein Gesetz gibt, das alle Opfer schützt, und Menschen, die helfen.
  • Bieten Sie allenfalls persönliche Hilfe an (Zuhören, Zuflucht in Notsituationen). Haben Sie aber auch Geduld, wenn Ihre Hilfsangebote vorerst noch abgelehnt werden.
  • Sammeln Sie Informationen über professionelle Hilfsangebote für Opfer oder Täter resp. Täterinnen und geben Sie diese an die betroffene Person weiter.

Zuhause im Unglück

Die Broschüre gibt Auskunft über Zahlen und Fakten zum Thema «Häusliche Gewalt» und macht auf Beratungsangebote aufmerksam. Sie klärt über die aktuelle Gesetzeslage und die Rolle der Polizei auf. Es wird aufgezeigt, was Opfer von häuslicher Gewalt tun können, wie Zeugen von solchen Gewalttaten am besten vorgehen und wo Täter und Täterinnen Hilfe erhalten.

Beratungsstellen

  • Die Opferhilfe unterstützt Sie in der Organisation medizinischer Versorgung über juristische Beratung und therapeutische Unterstützung bis hin zu materieller Hilfe.
  • Frauenhäuser in der Schweiz
  • Männerhäuser in der Deutschschweiz und in Genf
  • Der Fachverband Gewaltberatung Schweiz (FVGS) stellt die Adressen bezüglich Hilfe für Gewaltausübende (Gewaltberatungsstellen und Lernprogramme) zur Verfügung.
  • Die Dargebotene Hand ist für alle möglichen Sorgen und Fragen auch im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt ein Ansprechpartner und hilft Ihnen zudem, spezialisierte Anlaufstellen in Ihrer Region zu finden.
  • Safezone bietet online-Beratung bei Suchtproblemen und Adressen zu regionalen Beratungsstellen an.

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