Häusliche Gewalt Schwerpunkt

Gewalt im Alter

In der Schweiz sind jährlich mehr als 300’000 über 60-Jährige von Gewalt und Misshandlung betroffen. Viele Betroffene resignieren, schämen sich für ihre Situation und bitten nicht um Hilfe. Sie fürchten die Konsequenzen, z.B. in ein Altersheim übertreten zu müssen oder eine Verschlechterung der Beziehung zu den Angehörigen, wie eine von der Schweizerischen Kriminalprävention in Auftrag gegebene Studie des Institut et Haute Ecole de la Santé La Source (HES-SO) zeigt. Hinzu kommt, dass diese Generationen der Ansicht sind, dass Probleme in der Familie gelöst werden sollten. Ausserdem leiden sie häufig unter gesundheitlichen Problemen, die sie von ihrem Umfeld abhängig machen. Sie leiden still. Das muss verhindert werden.

Verschiedene Formen von Gewalt

Gewalt kann bewusst oder unbewusst ausgeübt werden und umfasst verschiedene Aspekte:

  • Physische Gewalt (Schläge, fesseln, Verbrennungen, etc.)
  • Psychische Gewalt (Demütigung, Drohung, Isolation, etc.)
  • Finanzielle Gewalt (Geldentzug, finanzielle Nötigung, Ausnutzung, etc.)
  • Sexuelle Gewalt (Vergewaltigung, sexuelle Belästigung, etc.)

Holen Sie Hilfe!

Von Gewalt kann jede und jeder betroffen sein, die Grenzen sind fliessend. Es ist die Aufgabe der ganzen Gesellschaft, Gewalt und Misshandlungen zu stoppen. Falls Sie oder eine/r Ihrer Verwandten, Nachbar/innen, Patient/innen oder Kolleg/innen von Gewalt betroffen sind, oder falls Sie eine schwierige Situation beobachten, handeln Sie! Kontaktieren Sie das Kompetenzzentrum Alter ohne Gewalt unter der Telefonnummer 0848 00 13 13 (Normaltarif), per E-Mail info@alterohnegewalt.ch. Weitere Informationen, Ratschläge oder Hilfe für die Einschätzung einer unklaren Situation erhalten Sie unter: www.alterohnegewalt.ch.

Online-Kampagne mit Fokus auf ältere Menschen (Februar 2024)

Um gewaltbetroffene Personen noch besser über die Hilfsangebote der Opferhilfe Schweiz zu informieren, hat die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) am 14. Februar 2024 eine Online-Kampagne mit Fokus auf ältere Menschen lanciert. Das umfassende Kampagnenmaterial ist über die Opferhilfe Schweiz unter www.aide-aux-victimes.ch/de/gewalt-im-alter verfügbar.

Die Kampagne ist eine Fortsetzung und Ergänzung früherer Kampagnen, die unter dem Logo «Gemeinsam gegen Gewalt im Alter» realisiert wurden.

Sensibilisierungskampagne «Gewalt bei älteren Paaren» (Dezember 2023)

Da Senioren und Seniorinnen bei häuslicher Gewalt nur selten Hilfsangebote in Anspruch nehmen, haben die Haute Ecole de la Santé La Source (HES-SO), das senior-lab und das nationale Kompetenzzentrum Alter ohne Gewalt am 15. Dezember 2023 mit Unterstützung der SKP eine schweizweite Kampagne gegen Gewalt bei älteren Paaren lanciert. Das umfassende Kampagnenmaterial ist über das nationale Kompetenzzentrum Alter ohne Gewalt unter www.alterohnegewalt.ch verfügbar.

Statistiken verdeutlichen, dass ältere Menschen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, die vorhandenen Hilfsressourcen wie Opferhilfestellen, Schutzunterkünfte und Polizei nur selten in Anspruch nehmen. Darüber hinaus gibt es kaum Angebote, die auf die besonderen Bedürfnisse von Senioren und Seniorinnen eingehen (wie z.B. auf einen fehlenden Internetzugang, eine eingeschränkte Mobilität oder die Abhängigkeit von Ehepartnerinnen und Ehepartner). Trotzdem werden Senioren und Seniorinnen in Präventionskampagnen kaum berücksichtigt, und dies, obwohl sie mittlerweile fast 20% der Bevölkerung ausmachen.

Sensibilisierungskampagne «Es ist nie zu spät, Hilfe zu holen!» (Mai 2023)

Die Schweizerische Kriminalprävention, das Kompetenzzentrum Alter ohne Gewalt und die Opferhilfe Schweiz lancieren Ende März die Sensibilisierungskampagne «Gewalt im Alter», um die Betroffenen zu ermutigen, über das Thema zu sprechen und sich Hilfe zu holen.

Die Kampagne richtet sich in erster Linie an die Seniorinnen und Senioren, aber auch an deren Umfeld und an Gewalt ausübende Personen. Kleine Geschichten veranschaulichen verschiedene Formen der Misshandlung älterer Menschen. Es werden bewusst nicht nur Szenen physischer Gewalt gezeigt, sondern auch solche, in welchen psychische oder finanzielle Gewalt ausgeübt wird. Die verschiedenen Szenen spielen sich in einem Mehrfamilienhaus ab. So werden die Betrachterinnen und Betrachter ermutigt, hinter die Fassade zu schauen, ungute Situationen zu erkennen, sich beraten zu lassen und etwas dagegen zu unternehmen, denn, so der Claim der Kampagne, «Es ist nie zu spät, Hilfe zu holen!». Die Sensibilisierungskampagne startet am 27. März und dauert bis am 31. Mai 2023.

Die nationale Sensibilisierungskampagne «Gewalt im Alter» ist Teil der Roadmap Häusliche Gewalt und sie erfüllt den nationalen Aktionsplan der Schweiz zur Umsetzung der Istanbul-Konvention des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Unter dem Logo «Gemeinsam gegen Gewalt im Alter» wird die von der SKP, dem Kompetenzzentrum Alter ohne Gewalt und der Opferhilfe Schweiz lancierte Kampagne unterstützt vom Seniorenrat, von Spitex Schweiz, Alzheimer Schweiz, Curaviva Schweiz und Pro Senectute Schweiz.

Sind Sie gewalttätig gegenüber Ihrer Familie?

Ein gewaltfreies (Zusammen-)Leben ist kein naiver Wunschtraum. Und Häusliche Gewalt oder Partnergewalt ist kein Schicksal. Sie können etwas dagegen tun, und zwar auch als Täter oder Täterin. Wenden Sie sich an eine Fachstelle für Gewaltausübende und lassen Sie sich beraten.

Was bringt mir eine solche Beratung?

Sie analysieren mit Spezialist*innen Ihre Situation und Ihr Verhalten und entwickeln gemeinsam mit ihnen einen Notfallplan für Stressmomente und Situationen, in denen Sie wütend werden und die Kontrolle verlieren könnten. Sie lernen Konflikte gewaltfrei auszutragen und arbeiten an den Ursachen Ihrer Gewalttätigkeit.  

Gewalttäter*innen müssen Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Was heisst das?

Viele Menschen, die gewalttätig gegenüber Familienmitgliedern sind, fühlen sich schlecht und hilflos. Sie sind aber oft auch gleichzeitig wütend auf die Opfer, weil diese sie mit ihrem Verhalten „dazu bringen“ gewalttätig zu sein. Eine Tatperson, die Verantwortung für ihr Handeln übernimmt, gibt nicht dem Gewaltopfer, sondern sich selbst die Schuld für die Gewalthandlungen. Sie macht sich damit nicht zum Opfer einer provozierenden Situation oder zum Opfer von Leuten, die sie zur Gewalttäterin oder zum Gewalttäter machen: Sie anerkennt, dass alleine sie entscheidet, wie sie in einer Konfliktsituation reagiert und dass deshalb auch alleine sie für ihr Verhalten verantwortlich ist.   

Mit welchen Ausreden rechtfertigen Gewaltausübende ihre Gewalthandlungen?

Die Ausreden sind sehr unterschiedlich, aber haben alle den Effekt, dass die gewaltausübende Person sich selbst vortäuscht, dass Ursachen, die nicht in ihrer Macht oder in ihrem Kontrollbereich liegen, zu den Gewalthandlungen geführt haben. Einige der häufigsten Ausreden sind „ich wurde provoziert“, „ich war betrunken“ oder „ich bin halt so temperamentvoll“.

Wo finde ich eine geeignete Fachstelle?

Informieren Sie sich auf der Webseite des Fachverbands Gewaltberatung Schweiz über Beratungsangebote in Ihrer Nähe.

Üben Migranten häufiger häusliche Gewalt aus?

Frühe Verheiratung, finanzielle Probleme, ungünstige Wohnsituationen, Arbeitslosigkeit und tiefer sozialer Status sind Faktoren, die nicht nur das Risiko Opfer, sondern selbst Täter häuslicher Gewalt zu werden, erhöhen. Opfer und Tatausübende mit Migrationshintergrund nehmen zudem die Unterstützungsangebote seltener wahr und können weniger auf ein stützendes soziales Umfeld zählen.

 

Stimmt es, dass Opfer von Häuslicher Gewalt mit Migrationshintergrund bei einer Trennung die Schweiz verlassen müssen?

Die Trennung einer noch jungen Ehe kann dazu führen, dass eine Person, die aufenthaltsrechtlich an ihren Partner oder ihre Partnerin gebunden ist, die Schweiz verlassen muss. Erlittene häusliche Gewalt kann jedoch als Grund gelten, auch nach der Trennung in der Schweiz bleiben zu dürfen.

Deswegen können rechtliche Barrieren ausländische Opfer von häuslicher Gewalt davon abhalten, die Hilfs- und Unterstützungsangebote in der Schweiz wahrzunehmen.

Sind Migrantinnen häufiger von häuslicher Gewalt betroffen?

Migrantinnen und Migranten leben vielfach unter Bedingungen, die für jeden Menschen das Risiko erhöhen würden, Opfer von häuslicher Gewalt zu werden: Migrantinnen sind oft jung verheiratet und zumeist finanziell weniger gut gestellt, die Familie lebt häufig in ungünstigen Wohnverhältnissen, die berufliche Situation dieser Menschen ist nicht selten unsicher und sie sind sozial weniger gut eingebettet. Zudem mussten viele Migrantinnen und Migranten beispielsweise bei der Flucht aus ihrem Land bereits Gewalt erleben oder wurden ungewollt Zeuginnen und Zeugen solcher Taten.

Was passiert mit Kindern und Jugendlichen, die Opfer häuslicher Gewalt sind?

Kinder, die Gewalt in der elterlichen Paarbeziehung oder zwischen Angehörigen oder nahen Bezugspersonen miterleben, sind immer Opfer von psychischer Gewalt. Zudem ist bekannt, dass diese Kinder auch überdurchschnittlich häufig physisch oder psychisch misshandelt, missbraucht oder vernachlässigt werden. Kinder, die in einem von Gewalt geprägten Familiensystem aufwachsen, können Schädigungen davontragen und müssen besonders geschützt werden. Hinzu kommt, dass zu Hause erlebte Gewalt für die weitere Entwicklung der betroffenen Kinder ein Risikofaktor ist, im späteren Leben selbst Opfer oder Täter bzw. Täterin zu werden.

Nach polizeilichen Einsätzen, in die Kinder und Jugendliche involviert sind, informiert die Polizei die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Diese Behörde ist für die Abklärung der Situation und allfällige Massnahmen zum Schutz der Kinder zuständig.

Werden die Angebote der Opferhilfe in Anspruch genommen, erhalten auch die Minderjährigen spezifische Unterstützung und Beratung. Wenn die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität einer minderjährigen oder unmündigen Person gefährdet ist, kann die Opferhilfe die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) informieren bzw. Anzeige erstatten.

Kommt häusliche Gewalt häufig vor?

Bei Fragen nach dem Ausmass muss unterschieden werden zwischen dem, was tatsächlich passiert, und dem, was die Behörden (Polizei, Opferhilfestellen usw.) darüber wissen.

Tatsache ist, dass die Polizei mehrere tausend Male im Jahr wegen Konflikten und Gewalthandlungen im familiären und partnerschaftlichen Kontext zum Einsatz kommt. Sobald die Strafverfolgungsbehörde aufgrund eines polizeilichen Einsatzes von einer potenziellen Straftat erfährt, wird eine Untersuchung eingeleitet, ohne dass dazu eine formelle Anzeige des Opfers notwendig ist. Schätzungen gehen davon aus, dass lediglich 20 Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt der Behörde zur Kenntnis gebracht werden. Somit wäre das tatsächliche Ausmass fünf Mal grösser als die registrierten Fälle. Besonders schwere Fälle werden aber meistens polizeilich bekannt.

In der Schweiz sind jährlich zwischen 20 und 30 Todesopfer als Folge häuslicher Gewalt zu beklagen; das heisst, dass 40 bis 50 Prozent aller Tötungsdelikte in der Schweiz auf den häuslichen Bereich entfallen. Hinzu kommen zwischen 40 und 60 versuchte Tötungen im Kontext häuslicher Gewalt.

Die Anzeigen zu Delikten im Kontext häuslicher Gewalt werden jährlich durch das Bundesamt für Statistik publiziert.

Was kann ich tun, wenn ich Zeuge von «Häuslicher Gewalt» werde?

Rufen Sie bei akuten Notsituationen die Polizei: Notruf 117. Gefährden Sie sich nicht selber, indem Sie sich einmischen.

Erklären Sie den betroffenen Personen, dass Gewalt im häuslichen Bereich kein privates Problem ist. Weisen Sie sie darauf hin, dass es in der Schweiz Gesetze gibt, die Opfer schützen, und Beratungsstellen, die Hilfe und Unterstützung anbieten.

Bieten Sie allenfalls persönliche Hilfe an (Zuhören, Zuflucht in Notsituationen). Haben Sie aber auch Geduld, wenn Ihre Hilfsangebote vorerst noch abgelehnt werden.

Sammeln Sie Informationen über professionelle Hilfsangebote für Opfer oder Täter bzw. Täterinnen und geben Sie diese an die betroffene Person weiter.

Was tut die Polizei bei häuslicher Gewalt?

Im Falle akuter Gewalt- oder Bedrohungslagen gibt es rund um die Uhr den Polizeinotruf (Tel. 117). Akut bedeutet nicht, dass man bis zum letzten Moment zuwarten muss! Wer sich bedroht fühlt, sollte lieber einmal zu früh als einmal zu spät anrufen.

Bei ihrer Arbeit stellt die Polizei den Opferschutz an erste Stelle und kümmert sich dann darum, die Täterschaft zur Verantwortung zu ziehen. Idealerweise verläuft eine polizeiliche Intervention folgendermassen: Die Polizei lässt sich von den Opfern an Ort und Stelle über den Vorfall informieren. Sie befragt das Opfer getrennt von der tatverdächtigten Person und klärt ab, ob Dinge passiert sind, die gegen das Strafrecht verstossen. Bei erkennbaren Körperverletzungen begleitet sie das Opfer zur medizinischen Behandlung. Die Polizei informiert die Betroffenen über die möglichen rechtlichen Schritte. Dabei werden die Betroffenen von Personen des gleichen Geschlechts befragt. Zudem wird darauf geachtet, dass Kinder altersgerecht behandelt und informiert werden; je nach Sachlage wird die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) informiert. Wurde Gewalt ausgeübt oder in massiver Weise angedroht und werden die Beteiligten weiterhin von der gewaltausübenden Person bedroht, prüft die Polizei eine Wegweisung und das Rückkehrverbot für die gewaltausübende Person. So soll gewährleistet werden, dass die Opfer, oft Frauen und Kinder, in ihrer Wohnung bleiben können.

Was ist ein Kontaktverbot?

Wird ein Kontaktverbot verhängt, ist es der gefährdenden Person verboten, mit der gefährdeten Person in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen. Dazu gehören das direkte Ansprechen, Telefonanrufe, SMS, E-Mails, Briefe, Facebook etc. Das Kontaktverbot kann auch auf weitere Personen ausgedehnt werden (z. B. Kinder und nahestehende Personen), wenn es der Schutz erfordert.

Was heisst und bewirkt eine Wegweisung?

Wurde Gewalt ausgeübt oder in massiver Weise angedroht und werden die Beteiligten weiterhin von der gewaltausübenden Person bedroht, prüft die Polizei eine Wegweisung und das Rückkehrverbot für die gewaltausübende Person. So soll gewährleistet werden, dass die Opfer, oft Frauen und Kinder, in ihrer Wohnung bleiben können.

Die von der Polizei angeordnete Wegweisung aus der Wohnung ist zeitlich beschränkt, je nach Kanton auf 10 bis 20 Tage. Für eine weitere Fernhaltung des Täters/der Täterin vom Opfer sind die Zivilgerichte oder andere Gerichtsbehörden zuständig. Diese können unter anderem Folgendes anordnen: Zuweisung der ehelichen Wohnung an das Opfer und seine Kinder zur alleinigen Benutzung während der Trennung, Verbot von Kontakten (persönlich, per Telefon, SMS, E-Mail, Brief) und ein Annäherungsverbot (Strasse, Quartier, Schule usw.).

Wie ist die Rechtslage bei häuslicher Gewalt?

Gemäss Strafgesetzbuch (StGB) sind einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 2 Abs. 3-5 StGB), wiederholte Tätlichkeiten (Art. 126 Abs. 2 Bst. b, bbis und c StGB), Drohung (Art. 180 Abs. 2 StGB) sowie sexueller Übergriff und sexuelle Nötigung (Art. 189 StGB) und Vergewaltigung (Art. 190 StGB) in Ehe und Partnerschaft Offizialdelikte sind. Damit müssen diese Delikte von Amtes wegen verfolgt werden. Verfolgt werden sowohl Gewalthandlungen zwischen Ehepartnern als auch zwischen heterosexuellen oder gleichgeschlechtlichen Lebenspartner/-innen mit einem gemeinsamen Haushalt auf unbestimmte Zeit oder bis zu einem Jahr nach deren Trennung. Die zwischen Ehegatten begangenen Gewalthandlungen werden von Amtes wegen verfolgt, auch wenn diese je einen eigenen Wohnsitz haben oder getrennt leben oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung.

Welche Gewaltkonstellationen finden sich im Komplex «häusliche Gewalt»?

Häusliche Gewalt findet am häufigsten in erwachsenen Beziehungen (mit Kindern), unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, statt. Es gibt jedoch noch eine Reihe von anderen Beziehungskonstellationen, die – wenn sie von Gewalt geprägt sind – ebenfalls unter den Begriff häusliche Gewalt fallen. Dazu zählen: Gewalt in Paarbeziehungen Jugendlicher, Zwangsheirat und Gewalt zwischen Zwangsverheirateten, sogenannte Ehrenmorde, Genitalverstümmelungen, Gewalt gegen Seniorinnen und Senioren im Familienverband, Gewalt von Eltern gegenüber Kindern und umgekehrt, Gewalt unter Geschwistern oder auch Stalking.

Auch hier können Ihnen die kantonalen Beratungsstellen der Opferhilfe weiterhelfen oder Sie an spezifische Hilfs- und Unterstützungsangebote weiterverweisen.

Wie zeigt sich häusliche Gewalt?

Physische Gewalt ist die offensichtlichste Gewaltform und reicht von tätlichen Angriffen bis hin zu Tötungsdelikten.

Sexuelle Gewalt umfasst unter anderem sexuelle Belästigung oder Nötigung bis hin zur Vergewaltigung.

Für die Strafverfolgungsbehörden sind die psychischen Gewaltformen weniger offensichtlich, auch wenn diese für Betroffene nicht weniger Leid verursachen. Zur psychischen Gewalt zählen unter anderem Beleidigungen, Einschüchterungen, Erniedrigungen oder eifersüchtiges Verhalten. Die meisten dieser Formen können rechtlich geahndet und somit zur Anzeige gebracht werden, wie z. B. Drohung, Nötigung, Freiheitsberaubung und die Nachstellung nach einer Trennung (Stalking).

Eine weitere Form von häuslicher Gewalt ist die ökonomische Gewalt. Diese umfasst Arbeitsverbot oder Zwang zur Arbeit, Beschlagnahmung des Lohnes oder auch die alleinige Verfügungsmacht über die finanziellen Ressourcen durch den Partner bzw. die Partnerin. Damit macht der Täter oder die Täterin das Opfer von sich abhängig.

Neben diesen vier Formen umfasst häusliche Gewalt auch Verhaltensweisen, die in ihrer Gesamtheit darauf abzielen, das Opfer zu kontrollieren und seinen freien Willen einzuschränken oder zu unterdrücken.

Gibt es Beratungsstellen für gewaltausübende Personen?

Auch gewalttätige Menschen leiden oft an den Folgen ihrer Handlungen, die sie oft im Vorfeld nicht steuern konnten. Sie müssen jedoch die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und an ihrem gewalttätigen Verhalten arbeiten.

Der Fachverband Gewaltberatung Schweiz (FVGS) stellt die Adressen bezüglich Hilfe für Gewaltausübende (Beratungsstellen gegen Gewalt und Lernprogramme) unter www.fvgs.ch unter Fachstellen zur Verfügung (nach Region geordnet).

Wo erhalten betroffene Männer Schutz bei akuter Gefährdung?

In einzelnen Kantonen stehen Schutzunterkünfte für gewaltbetroffene Männer zur Verfügung.

Bestehende Beratungsangebote für Männer finden Sie unter www.maenner.ch und Männerhäuser unter zwueschehalt.ch und pharos-geneve.ch.

 

Wo erhalten betroffene Frauen und Kinder Schutz bei akuter Gefährdung?

Für Frauen und deren Kinder in akuten Gewaltsituationen bieten Frauenhäuser sofortigen Schutz, Unterkunft und Beratung. Auch wenn gemäss den gesetzlichen Bestimmungen gewaltausübende Personen weggewiesen werden und die Opfer so in der gewohnten Umgebung bleiben können, gibt es weiterhin Fälle, in denen Frauen nur in Frauenhäusern die nötige Sicherheit finden. Gerade Frauen, die über kein ausreichendes soziales Netz verfügen oder bei denen die Bedrohungslage diffus ist, bieten Frauenhäuser befristeten Schutz. In den Frauenhäusern sollen die Opfer zur Ruhe kommen, Sicherheit gewinnen und Anschlusslösungen finden.

Wo erhalten Opfer Unterstützung?

In jedem Kanton können sich Betroffene an die Opferhilfe wenden. Gewaltopfern jeden Alters und Geschlechts wird hier kostenlos Hilfe angeboten. Die Unterstützung reicht von der Organisation medizinischer Versorgung über juristische Beratung und therapeutische Unterstützung bis hin zu materieller Hilfe. Die Beratungen werden vertraulich geführt und können anonym in Anspruch genommen werden. Auch Nahestehende und Angehörige werden beraten und unterstützt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass ein Strafverfahren durchgeführt wird. Mitarbeitende der Opferhilfe unterliegen der Schweigepflicht. Nur wenn die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität einer minderjährigen oder unmündigen Person gefährdet ist, kann die Opferhilfe die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) informieren bzw. Anzeige erstatten.

Was kann ich tun, um häuslicher Gewalt vorzubeugen?

Wenn keine akute Gewaltsituation vorhanden ist, Sie jedoch in einer Beziehung leben, in der Sie sich in Ihren Freiheiten eingeschränkt fühlen, wenn Sie sich Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin nicht gewachsen fühlen oder Konflikte vorherrschen, reden Sie darüber! Kontaktieren Sie eine Vertrauensperson oder eine Beratungsstelle. Brechen Sie Ihr Schweigen, Sie haben ein Recht auf eine gewaltfreie Beziehung! Im Gegenteil, brechen Sie Ihr Schweigen! In allen Kantonen finden sich Paar- oder Eheberatungsstellen, die Sie einfach im Internet finden.

(Potenzielle) Zeuginnen und Zeugen

Wissen oder ahnen Sie, dass in Ihrem Bekanntenkreis Gewalt geschieht? Hören Sie in Ihrer Nachbarschaft beunruhigende Geräusche oder haben Sie andere Hinweise auf Misshandlungen festgestellt?
Zeigen Sie Zivilcourage, aber spielen Sie nicht den Helden/die Heldin. Etwas zu unternehmen heisst bei Weitem nicht immer, direkt einzugreifen. Erkundigen Sie sich bei anderen Nachbarn oder Familienangehörigen, ob diese auch schon Beobachtungen gemacht haben oder sogar bereits aktiv geworden sind.

Es ist aber auf jeden Fall richtig, dass Sie etwas tun. Rechtzeitiges Handeln kann Leben retten.

  • Rufen Sie bei akuten Notsituationen die Polizei: Notruf 117. Gefährden Sie sich nicht selber, indem Sie sich einmischen.
  • Erklären Sie den betroffenen Personen, dass Gewalt im häuslichen Bereich kein privates Problem ist. Weisen Sie sie darauf hin, dass es in der Schweiz Gesetze gibt, die Opfer schützen, und Beratungsstellen, die Hilfe und Unterstützung anbieten.
  • Bieten Sie allenfalls persönliche Hilfe an (Zuhören, Zuflucht in Notsituationen). Haben Sie aber auch Geduld, wenn Ihre Hilfsangebote vorerst noch abgelehnt werden.
  • Sammeln Sie Informationen über professionelle Hilfsangebote für Opfer oder Täter resp. Täterinnen und geben Sie diese an die betroffene Person weiter.

(Potenziell) Gewaltausübende

Wenden Sie sich an eine Beratungsstelle für gewaltausübende Personen oder suchen Sie andere Unterstützungs- und Hilfsangebote auf (Hausarzt, Psychotherapie, Suchtberatungsstelle etc.). Der Fachverband Gewaltberatung Schweiz (FVGS) bietet Adressen bezüglich Hilfe für Gewaltausübende Personen (Gewaltberatungsstellen und Lernprogramme) an.
  • Sprechen Sie mit Ihnen nahestehenden Personen über Ihre Gefühle. Schauen Sie, wie andere Menschen mit belastenden Situationen und Wut umgehen.
  • Überlegen Sie sich, was Sie das nächste Mal tun wollen, wenn Sie aggressiv werden und keinen Ausweg sehen.
  • Es ist hilfreich, wenn Sie sich bei Konflikten und Stress zurückziehen. Verlassen Sie das Haus, wenn Sie merken, dass Sie sich nicht mehr unter Kontrolle haben. Machen Sie einen Spaziergang oder sprechen Sie mit einer Vertrauensperson.

Häusliche Gewalt

Definition

Häusliche Gewalt liegt vor, wenn Personen innerhalb einer bestehenden oder aufgelösten familiären, ehelichen oder eheähnlichen Beziehung und unabhängig davon, ob sie im gleichen Haushalt leben, physische, psychische, sexuelle oder ökonomische Gewalt ausüben oder androhen.

Phänomen und typische Merkmale

Wie zeigt sich Häusliche Gewalt?

  • Physische Gewalt ist die offensichtlichste Gewaltform und reicht von tätlichen Angriffen bis hin zu Tötungsdelikten.
  • Sexuelle Gewalt umfasst unter anderem sexuelle Belästigung oder Nötigung bis hin zur Vergewaltigung.
  • Für die Strafverfolgungsbehörden sind die psychischen Gewaltformen weniger offensichtlich, auch wenn diese für Betroffene nicht weniger Leid verursachen. Zur psychischen Gewalt zählen unter anderem Beleidigungen, Einschüchterungen, Erniedrigungen oder eifersüchtiges Verhalten. Die meisten dieser Formen können rechtlich geahndet und somit zur Anzeige gebracht werden, wie z. B. Drohung, Nötigung, Freiheitsberaubung und die Nachstellung nach einer Trennung (Stalking).
  • Eine weitere Form von häuslicher Gewalt ist die ökonomische Gewalt. Diese umfasst Arbeitsverbot oder Zwang zur Arbeit, Beschlagnahmung des Lohnes oder auch die alleinige Verfügungsmacht über die finanziellen Ressourcen durch den Partner bzw. die Partnerin. Damit macht der Täter oder die Täterin das Opfer von sich abhängig.

Häusliche Gewalt findet am häufigsten in erwachsenen Beziehungen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, (mit Kindern) statt. Es gibt jedoch noch eine Reihe von anderen Beziehungskonstellationen und Formen von Gewalt, die ebenfalls unter den Begriff häusliche Gewalt fallen. Dazu zählen Gewalt in Paarbeziehungen Jugendlicher, Zwangsheirat und Gewalt zwischen Zwangsverheirateten, sogenannte Ehrenmorde, Genitalverstümmelungen, Gewalt gegen Seniorinnen und Senioren im Familienverband, Gewalt von Eltern gegenüber Kindern und umgekehrt oder auch Gewalt unter Geschwistern.

Typische Merkmale häuslicher Gewalt

Häusliche Gewalt hat viele Gesichter und tritt in den verschiedensten Beziehungskonstellationen auf. Die meisten Formen häuslicher Gewalt haben aber Gemeinsamkeiten, die es ermöglichen, sie von Gewalt ausserhalb des privaten Bereichs abzugrenzen:

  • Bei häuslicher Gewalt besteht zwischen der gewaltausübenden Person und dem Opfer eine emotionale, oft intime Bindung. Auch (und gerade) nach einer Trennung, der gerichtlichen Auflösung einer Ehe oder einer Scheidung können verletzte Gefühle zu Gewalthandlungen führen. Häusliche Gewalt endet somit nicht mit der Trennung, sondern kann für das Opfer sogar noch schlimmer werden.
  • Die Gewalt wird meist in der eigenen Wohnung bzw. im eigenen Haus ausgeübt, also dort, wo man eigentlich Sicherheit und Geborgenheit finden sollte.
  • Häusliche Gewalt ist meist nicht ein einmaliger Ausbruch, sondern dauert über einen längeren Zeitraum an und kann mit der Zeit an Intensität zunehmen.
  • Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Dominanz und der Übernahme der Kontrolle über eine Partnerin bzw. einen Partner in der Beziehung einerseits und Gewaltausübung andererseits. Bei häuslicher Gewalt nutzt die gewaltausübende Person oft ein Machtgefälle in der Beziehung aus.
  • Bei häuslicher Gewalt kann oft eine spezifische Dynamik – die sogenannte Gewaltspirale – festgestellt werden. Als Gewaltspirale bezeichnet man eine charakteristische Abfolge von Verhaltensmustern, verkürzt beschreibbar als Spannungsaufbau in der Beziehung, gefolgt von einem Gewaltausbruch. Im Anschluss an die Eskalation stellt sich zuweilen Reue und eventuell auch eine vorübergehende Versöhnung ein. Nach dieser Phase baut sich die Spannung wieder von neuem auf; die Spirale dreht sich weiter. Charakteristisch dabei ist, dass es für die Beteiligten oft ausserordentlich schwierig ist, ohne äussere Hilfe aus diesem Muster auszubrechen.

Folgen Häuslicher Gewalt

Die negativen Folgen von häuslicher Gewalt zeigen sich auf gesundheitlicher, sozialer, finanzieller, aufenthaltsrechtlicher und nicht zuletzt auch auf volkswirtschaftlicher Ebene. Bei Opfern systematischer und fortgesetzter Gewalt zeigen sich oft physische und/oder psychische Beeinträchtigungen, die nicht selten mit selbst schädigendem Verhalten wie Suchtmittelmissbrauch einhergehen. Sozialer Rückzug bis zur Isolation durch Scham oder erzwungene finanzielle Abhängigkeiten (und finanzielle Schwierigkeiten bei Trennungen) sowie die manchmal vorhandene Abhängigkeit des aufenthaltsrechtlichen Status vom Partner bzw. von der Partnerin können die gesundheitlichen Folgen begleiten. Auch die Gesellschaft trägt die Kosten häuslicher Gewalt mit, die gemäss Untersuchungen jährlich bei einem dreistelligen Millionenbetrag liegen.

Rechtslage

Gemäss Strafgesetzbuch (StGB) sind einfache Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 2 Abs. 3-5 StGB), wiederholte Tätlichkeiten (Art. 126 Abs. 2 Bst. b, bbis und c StGB), Drohung (Art. 180 Abs. 2 StGB) sowie sexueller Übergriff und sexuelle Nötigung (Art. 189 StGB) und Vergewaltigung (Art. 190 StGB) in Ehe und Partnerschaft Offizialdelikte sind. Das heisst, dass diese Delikte von Amtes wegen verfolgt werden, sobald die Polizei Kenntnis von ihnen hat.

Verfolgt werden sowohl Gewalthandlungen zwischen Ehepartner bzw. Ehepartnerinnen als auch anderen Partner bzw. Partnerinnen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, mit einem gemeinsamen Haushalt auf unbestimmte Zeit oder bis zu einem Jahr nach deren Trennung. Die zwischen Lebenspartner/-innen begangenen Gewalthandlungen werden von Amtes wegen verfolgt, auch wenn diese je einen eigenen Wohnsitz haben oder getrennt leben oder bis zu einem Jahr nach der Scheidung resp. Trennung.

Das Zivilgesetzbuch (ZGB) verpflichtet die Kantone zudem dazu, den Opfern von Gewalt, Drohungen und Nachstellungen Schutzmassnahmen zu gewähren, nämlich die Wegweisung der gewaltausübenden Person, Annäherungs- und Kontaktverbote sowie ein Verbot, sich an bestimmten Orten aufzuhalten. In den kantonalen Polizeigesetzgebungen bzw. in eigens erstellten Gewaltschutzgesetzen ist folglich geregelt, wie lange eine Person von ihrem Wohnort weggewiesen werden kann und in allen Kantonen können Rückkehr- und Annäherungsverbote ausgesprochen werden.

Die Gesetzgebung rund um das Thema häusliche Gewalt versucht den speziellen Umständen der betroffenen Personen gerecht zu werden und hat deshalb einige Besonderheiten vorgesehen. Ebenso kann sie das Verfahren auf Antrag des Opfers sistieren, wobei der alleinige Wille des Opfers dazu nicht ausreicht (Art. 55a StGB).

Zusätzlich sieht die Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (AIG) von 2025 vor, dass Opfer häuslicher Gewalt (Ehegatten und Kinder) nach einer Auflösung der Ehe- oder Familiengemeinschaft unter bestimmten Bedingungen besseren Schutz erhalten (Art. 50 AIG).

Alle Beratungsstellen der Opferhilfe und andere auf häusliche Gewalt spezialisierten Institutionen bieten überdies Rechtsberatungen an und stellen detaillierte Informationen zur Rechtslage zur Verfügung.

Was tut die Polizei?

Bei ihrer Arbeit stellt die Polizei den Opferschutz an erste Stelle und kümmert sich dann darum, die Täterschaft zur Verantwortung zu ziehen. Idealerweise verläuft eine polizeiliche Intervention folgendermassen: Die Polizei lässt sich von den Opfern an Ort und Stelle über den Vorfall informieren. Sie befragt das Opfer getrennt von der tatverdächtigten Person und klärt ab, ob Dinge passiert sind, die gegen das Strafgesetz verstossen. Bei erkennbaren Körperverletzungen begleitet sie das Opfer zur medizinischen Behandlung. Die Polizei informiert die Betroffenen über die möglichen rechtlichen Schritte. Dabei werden die Betroffenen von Personen des gleichen Geschlechts befragt.

Auch wenn die Gewalt erst angedroht wurde und noch nichts Weiteres passiert ist, hat die Polizei Handlungsmöglichkeiten. Viele Polizeikorps haben ein kantonales Bedrohungsmanagement (KBM), das zum Ziel hat, Warnzeichen für Gewalt zu erkennen, das potenzielle Risiko zu beurteilen und die Bedrohung durch interinstitutionelle Zusammenarbeit so weit wie möglich zu entschärfen.

Zudem wird darauf geachtet, dass Kinder altersgerecht behandelt und informiert werden; je nach Sachlage wird die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) informiert.

Wurde Gewalt ausgeübt oder in massiver Weise angedroht und werden die Beteiligten weiterhin von der gewaltausübenden Person bedroht, prüft die Polizei eine Wegweisung und das Rückkehrverbot für die gewaltausübende Person. Solche Schutznormen dienen dem Opferschutz und es gibt sie in allen Kantonen. Diese Massnahmen gelten aber nur für kurze Zeit, nach einigen Wochen laufen sie ab. Die von häuslicher Gewalt betroffene Person muss aktiv werden und ein zivilrechtliches Verfahren vor Gericht einleiten, um einen längerfristigen Schutz durchsetzen zu können.

Wird nach dem Einschreiten der Polizei eine Strafuntersuchung gegen die gewaltausübende Person geführt und geht es um schwerere Delikte, kann die Strafuntersuchungsbehörde sogenannte Ersatzmassnahmen wie z.B. ein Kontakt- oder ein Rayonverbot erlassen, die an Stelle von Untersuchungshaft treten. Diese Ersatzmassnahmen dienen nicht primär dem Opferschutz, sondern stellen sicher, dass die beschuldigte Person der Bestrafung zugeführt werden kann. Hält sich die beschuldigte Person nicht an diese Massnahmen, wird sie wieder in Untersuchungshaft genommen.

Im Falle akuter Gewalt- oder Bedrohungslagen gibt es rund um die Uhr den Polizeinotruf (Tel. 117).

Was kann ich tun?

(Potenziell) Gewaltbetroffene

Wenn keine akute Gewaltsituation vorhanden ist, Sie jedoch in einer Beziehung leben, in der Sie sich in Ihren Freiheiten eingeschränkt fühlen, wenn Sie sich Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin nicht gewachsen fühlen oder Konflikte vorherrschen, reden Sie darüber! Kontaktieren Sie eine Vertrauensperson oder eine Beratungsstelle. Brechen Sie Ihr Schweigen, Sie haben ein Recht auf eine gewaltfreie Beziehung!

Wenn Sie sich bedroht fühlen oder sich gar schon in einer akuten Gewaltsituation befinden, rufen Sie die Polizei: Notruf 117. Die Polizei kann bei akuter Gewalt einschreiten, die gewaltausübende Person sofort aus der Wohnung weisen oder ihr verbieten, gewisse Gebiete zu betreten und/oder Sie und Ihre Kinder zu kontaktieren. Dank den Schutzmassnahmen können Sie (und Ihre Kinder) zu Hause bleiben und die nächsten Schritte planen.

  • Wenden Sie sich an eine kostenlose Beratungsstelle der Opferhilfe, wenn Sie ein Gespräch, eine rechtliche, psychische oder materielle Unterstützung benötigen.
  • Schützen Sie Ihre persönlichen Sachen und die Ihrer Kinder (Identitätsdokument, Familienbüchlein, Bankkarte, Aufenthaltsbewilligung, Wohnungsschlüssel, Dinge, die Ihnen persönlich wichtig sind) und bringen Sie diese an einen sicheren Ort.
  • Wenn Sie die gemeinsame Wohnung trotz allen Massnahmen verlassen wollen oder müssen, bereiten Sie diesen Weggang gut vor. Packen Sie eine Tasche mit allem, was Sie brauchen. Melden Sie sich bei einer Schutzunterkunft in Ihrer Nähe (Frauen- oder Männerhaus), wenn Sie niemanden im persönlichen Umfeld haben, der Ihnen konkret helfen kann.

(Potenziell) Gewaltausübende

Wenden Sie sich an eine Beratungsstelle für gewaltausübende Personen oder suchen Sie andere Unterstützungs- und Hilfsangebote auf (Hausarzt, Psychotherapie, Suchtberatungsstelle etc.). Der Fachverband Gewaltberatung Schweiz (FVGS) bietet Adressen bezüglich Hilfe für Gewaltausübende Personen (Gewaltberatungsstellen und Lernprogramme) an.

  • Sprechen Sie mit Ihnen nahestehenden Personen über Ihre Gefühle. Schauen Sie, wie andere Menschen mit belastenden Situationen und Wut umgehen.
  • Überlegen Sie sich, was Sie das nächste Mal tun wollen, wenn Sie aggressiv werden und keinen Ausweg sehen.
  • Es ist hilfreich, wenn Sie sich bei Konflikten und Stress zurückziehen. Verlassen Sie das Haus, wenn Sie merken, dass Sie sich nicht mehr unter Kontrolle haben. Machen Sie einen Spaziergang oder sprechen Sie mit einer Vertrauensperson.

(Potenzielle) Zeuginnen und Zeugen

Wissen oder ahnen Sie, dass in Ihrem Bekanntenkreis Gewalt geschieht? Hören Sie in Ihrer Nachbarschaft beunruhigende Geräusche oder haben Sie andere Hinweise auf Misshandlungen festgestellt?
Zeigen Sie Zivilcourage, aber spielen Sie nicht den Helden/die Heldin. Etwas zu unternehmen heisst bei Weitem nicht immer, direkt einzugreifen. Erkundigen Sie sich bei anderen Nachbarn oder Familienangehörigen, ob diese auch schon Beobachtungen gemacht haben oder sogar bereits aktiv geworden sind.

Es ist aber auf jeden Fall richtig, dass Sie etwas tun. Rechtzeitiges Handeln kann Leben retten.

  • Rufen Sie bei akuten Notsituationen die Polizei: Notruf 117. Gefährden Sie sich nicht selber, indem Sie sich einmischen.
  • Erklären Sie den betroffenen Personen, dass Gewalt im häuslichen Bereich kein privates Problem ist. Weisen Sie sie darauf hin, dass es in der Schweiz Gesetze gibt, die Opfer schützen, und Beratungsstellen, die Hilfe und Unterstützung anbieten.
  • Bieten Sie allenfalls persönliche Hilfe an (Zuhören, Zuflucht in Notsituationen). Haben Sie aber auch Geduld, wenn Ihre Hilfsangebote vorerst noch abgelehnt werden.
  • Sammeln Sie Informationen über professionelle Hilfsangebote für Opfer oder Täter resp. Täterinnen und geben Sie diese an die betroffene Person weiter.

Zuhause im Unglück

Warum häusliche Gewalt keine Privatsache ist

Die Broschüre gibt Auskunft über Zahlen und Fakten zum Thema «Häusliche Gewalt» und macht auf Hilfe- und Beratungsangebote aufmerksam. Sie klärt über die aktuelle Gesetzeslage und die Rolle der Polizei auf. Es wird aufgezeigt, was Opfer von häuslicher Gewalt tun können, wie Zeugen von solchen Gewalttaten am besten vorgehen und wo Täter und Täterinnen Hilfe erhalten.

Beratungs- und Hilfsangebote

Zivilcouragiertes Verhalten in sechs Schritten

  1. Gefahrlos handeln 
    Herr R. soll und muss dem Jugendlichen helfen, ohne sich dabei selbst in Gefahr zu bringen. Niemand möchte, dass Herr R. ein zweites Opfer wird, währendem er dem ersten Opfer zu helfen versucht. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, dem Opfer zu helfen oder beizustehen, ohne selbst in Gefahr zu geraten, wie die folgenden Punkte zeigen:
  2. Mithilfe fordern 
    Herr R. sollte allfällige andere Passanten ansprechen, denn nur so findet er rasch andere Menschen, die ebenfalls einzugreifen bereit sind. Auch wenn Herr R. alleine unterwegs ist, kann es beispielsweise sein, dass die Gäste einer After-Work-Bar eine Strasse weiter auch Schreie gehört haben und auf seinen Aufruf hin bereit sind, Herrn R. zu unterstützen. Herr R. soll andere konkret zur Hilfe aufzufordern: «Sie dort mit dem weissen Hemd, helfen Sie mir!». Grundsätzlich ist Herr R. in einer Gruppe stärker als alleine und die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass die beiden Täter angesichts mehrerer Personen vom Opfer ablassen und flüchten.
  3. Genau hinsehen 
    Worum ging es? Wer hat was gesagt? Wer hat wen (zuerst) geschlagen? Bei einem Überfall oder bei einer Schlägerei geht es zuerst immer darum, dass das Opfer geschützt und umsorgt wird. Die Verfolgung der Täterschaft hat zweite Priorität. Wie oben erwähnt, sollen Zeugen aber nur helfen, wenn sie sich dabei nicht selbst in Gefahr bringen. Ist dies nicht gewährleistet, kann Herr R. helfen, indem er Hilfe holt, die Polizei benachrichtigt und seine Beobachtungen später im Rahmen einer Zeugenaussage der Polizei mitteilt. Für die Strafverfolgung ist es ausserordentlich nützlich und wichtig, dass sich Zeugen zur Verfügung stellen, um so die Identifizierung der Täterschaft sowie die Rekonstruierung des Tatherganges zu ermöglichen.
  4. Hilfe holen 
    Wenn eine Situation zu eskalieren droht oder die Prügelei bereits in vollem Gange ist, wie diejenige in Herr R.s Geschichte, so sollte Herr R. umgehend die Polizei anrufen! Wer Zeuge eines gewaltsamen Vorfalls wird, sollte sich nicht scheuen, den Hörer in die Hand zu nehmen und 117 zu wählen. Im Zweifelsfalle gilt: Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig die Polizei kontaktieren.
  5. Opfer versorgen 
    Dass Herr R., der kurz vor seiner Pensionierung steht und in einer Rauferei physisch benachteiligt wäre, bei einer Gewalttat nicht eingreift, ist verständlich. Eigentlich spielt es aber keine Rolle, wie jung und stark oder alt und gebrechlich jemand ist, denn bei gewalttätigen Handlungen sollte man nie versuchen, den Helden zu spielen. Schliesslich weiss man nicht, ob die Täter nicht möglicherweise bewaffnet sind. Nichtsdestotrotz sollte Herr R. in der Nähe warten, um dem Opfer zu helfen, sobald die Täterschaft verschwunden ist. Dabei ist es wichtig, sich dem Opfer vorzustellen und ihm beruhigend zur Seite zu stehen: Ihm zu sagen, dass die Polizei und Ambulanz auf dem Weg sind und dass die Täterschaft weg ist.
  6. Zeugenaussage machen 
    Wenn die Polizei am Tatort eingetroffen ist, sollte sich Herr R. aktiv als Zeuge des ganzen Vorfalls zur Verfügung stellen und seine Kontaktdaten der Polizei mitteilen. Vielleicht hat Herr R. ein entscheidendes Detail beobachtet, das zu den Tätern führen könnte. Weitere potentielle Opfer werden es Herr R. danken.

Das Beispiel des Herrn R. verdeutlicht, wie plötzlich man sich in einer Situation wieder finden kann, die zivilcouragiertes Handeln verlangt. Die oben genannten sechs Schritte zeigen, was man selbst und mit Hilfe seiner Mitmenschen in solchen Momenten konkret machen kann, um jemandem in Not zu helfen. Man muss kein muskelbepackter und bewaffneter Kampfsportler oder eine durchtrainierte Kickboxerin sein: Jede und jeder kann helfen und muss es deshalb auch! Das Gegenteil von couragiertem Verhalten wäre, wenn Herr R. einfach so weiter spaziert wäre und den Jugendlichen hilflos seinem Schicksal zu überlassen hätte. Das wäre nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch strafrechtlich verfolgbar!

Mehr Hintergrundinformationen zum Thema «Zivilcourage» sowie wichtigen Organisationen, die sich auch mit dieser Thematik beschäftigen, finden Sie in der Broschüre «Bitte misch dich ein!» der Schweizerischen Kriminalprävention, die zudem erklärt, warum Zivilcourage für unsere Gesellschaft – und nicht nur für ein betroffenes Opfer von Gewalt so wichtig ist. Als Ergänzung zur Broschüre hat die Schweizerische Kriminalprävention den Film «Rote Karte» produziert, der auf humorvolle Art und Weise die Wichtigkeit von Zivilcourage im Alltag herausstreicht.

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