
Stalking
Stalking kann betroffene Personen in ihrer Lebensführung stark beeinträchtigen. Sie erleiden oft richtiggehenden Psychoterror bis hin zu körperlichen Übergriffen. Stalking kann beim Opfer schwere seelische Leiden hervorrufen und soziale Isolation zur Folge haben.
Stalking ist ein komplexes Phänomen mit sehr unterschiedlichen Ausprägungen und Facetten. Die unzähligen Handlungen des Täters/der Täterin einzeln betrachtet, erreichen oft nicht die Schwelle der Illegalität. Dies erklärt teilweise die späte Wahrnehmung des Phänomens durch die Betroffenen selbst, aber auch durch die Strafverfolgung. Aus präventiver Sicht ist es aber wichtig, Stalking möglichst früh zu erkennen und Massnahmen zu ergreifen.
Definition
«Stalken» ist heutzutage fast schon ein Modewort für belästigende Verhaltensweisen geworden. Als Fachbegriff wird er jedoch enger gefasst: Der Begriff «Stalking» stammt aus dem englischen Jägerjargon. «To stalk» bedeutet «sich heranpirschen» oder «anschleichen» und bezieht sich zumeist auf die zu erlegende Beute.
Heute versteht man unter Stalking, das beabsichtigte und wiederholte Verfolgen und Belästigen eines Menschen, so dass dessen Sicherheit bedroht und seine Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt wird.
Typische Stalking-Handlungen
Stalking ist nichts Einmaliges, sondern setzt sich aus verschiedenen, kombinierten und sich wiederholenden Handlungen zusammen und zeigt sich oft über folgende Verhaltensweisen:
- Unerwünschte Kommunikation durch eine belästigend hohe Anzahl an Briefen
- Ständige Telefonanrufe zu jeder Tages- und Nachtzeit
- Beobachten und Auflauern des Opfers sowie Auskundschaften seines Tagesablaufs
- Ausfragen von und Kontaktaufnahme über Drittpersonen
- Stehlen und Lesen der Post des Opfers
- Falschbeschuldigungen, beispielsweise bei der Polizei oder beim Arbeitgeber
- Aufgabe von Bestellungen und Inseraten im Namen des Opfers, z. B. Sex-Angebote oder Todesanzeigen
- Unerwünschtes Zusenden von Geschenken
- Beschimpfungen und Drohungen
- Eindringen in die Wohnräume des Opfers
- Beschädigung des Eigentums der Betroffenen
- Körperliche und sexuelle Angriffe
Von Cyberstalking spricht man, wenn dieses aufdringliche Verhalten das Internet oder elektronische Medien nutzt. Es zeigt sich oft in folgenden Verhaltensweisen:
- Unerwünschte Kommunikation durch eine belästigend hohe Anzahl an E-Mails, SMS oder Schriftverkehr über Online-Messengerdienste
- Ausspionieren der Online-Aktivitäten der betroffenen Person
- Missbrauch sozialer Netzwerke zur Schädigung des Opfers, bspw. Erstellen von Fake-Profilen oder Veröffentlichung von privaten Informationen im Internet

Ursachen
Welche Beweggründe Stalkerinnen und Stalker haben, kann nicht pauschal beantwortet werden. Die Tatperson kann aus Rache für empfundenes Unrecht (enttäuschte Liebe oder Kündigung des Arbeitsverhältnisses), aufgrund eines Beziehungswunschs, im Liebeswahn, aus Hass oder aus dem Drang heraus, das Opfer zu kontrollieren oder es zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, handeln. Manchmal verändert sich das Motiv der Tatperson im Laufe der Zeit. Allen Stalkerinnen und Stalkern gemein ist der Wunsch nach Aufmerksamkeit, der auf eine exzessive Art ausgelebt wird.
Stalking kommt in allen sozialen Schichten vor und betrifft Männer sowie Frauen.
Rechtslage
In der Schweiz gibt es bislang keinen Straftatbestand, der Stalking als solches für illegal erklärt. Aber auch wenn Stalking «als Ganzes» nicht angezeigt werden kann, bedeutet dies nicht, dass eine strafrechtliche Reaktion nicht möglich ist. Denn oft sind die einzelnen Handlungen durchaus strafbar.
Die folgende Auflistung zeigt Straftatbestände, die oft in Zusammenhang mit Stalking auftreten:
Körperverletzung (Art. 122 f. StGB) oder Tätlichkeiten (Art. 126 StGB)
Die Palette bei Angriffen gegen die körperliche Integrität ist gross, und der Gewaltakt muss nicht zwingend eine (bleibende) Verletzung oder Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zurücklassen. Körperverletzung kann zudem unter Umständen auch bei einer erheblichen Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit in Betracht gezogen werden.
Diebstahl (Art. 139 StGB) oder Sachbeschädigung (Art. 144 StGB)
Bei Diebstahl muss die Tatperson mit Aneignungs- und Bereicherungsabsicht handeln, d. h., eine wirtschaftliche Besserstellung für sich oder eine andere Person zum Ziel haben.
Entwendet die Tatperson Eigentum des Opfers lediglich, um diesem Leid zuzufügen und hat der gestohlene Gegenstand keinen Marktwert (z. B. ein Schlüsselbund), greift Diebstahl nicht. In diesem Fall können u. U. die Bestimmungen über Sachentziehung (Art. 141 StGB) oder unrechtmässige Aneignung (Art. 137 Ziff. 2 StGB) zur Anwendung kommen.
Ehrverletzungen (Art. 173 ff. StGB)
Ehrverletzungen sind strafbar, wenn jemand eine Person rufschädigend beschuldigt, verdächtigt oder eine solche Behauptung weiterverbreitet.
Beschimpfung ist durch Worte, Schrift, Bild, Gebärden oder Tätlichkeiten möglich, welche gegenüber dem Opfer oder bei ehrverletzenden Werturteilen gegenüber einer Drittperson geäussert werden. Dabei ist nicht das persönliche Empfinden des Opfers ausschlaggebend, sondern wie eine unbefangene Person eine derartige Aussage einstuft.
Missbrauch einer Fernmeldeanlage (Art. 179septies StGB)
Lästige und beunruhigende Telefonate müssen eine gewisse minimale quantitative Intensität und/oder qualitative Schwere erreichen. Demnach können es bspw. viele Anrufe sein, ohne dass der/die Stalker/-in etwas sagt oder auch nur wenige Anrufe, in denen Drohungen geäussert werden und die beim Opfer unter Berücksichtigung der konkreten Umstände eine starke Beunruhigung hervorrufen.
Identitätsmissbrauch (Art. 179decies StGB)
Sowohl in der physischen als auch in der virtuellen Welt ist die Verwendung der Identität einer anderen Person ohne deren Einwilligung, um dieser zu schaden oder um sich oder einem Dritten einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen, strafbar.
Drohung (Art. 180 StGB)
Es kommt nicht darauf an, ob die Tatperson den angedrohten Nachteil wirklich umsetzen will, es darf aber nicht nur eine «simple» Warnung sein. Die Drohung kann mündlicher oder schriftlicher Art sein, durch konkrete Handlungen ausgedrückt werden und dient in ihrer schwere dem Verbreiten von Angst und Schrecken.
Nötigung (Art. 181 StGB)
Das Verhalten des Opfers muss grundsätzlich das Resultat einer bestimmbaren Handlung des Täters und an ein bestimmtes konkretes Ereignis gebunden sein (z. B. das tägliche Auflauern am Arbeitsweg, das eine betroffene Person dazu bringt, den Arbeitsweg zu ändern).
Hausfriedensbruch (Art. 186 StGB)
Es geht darum, das Hausrecht zu schützen. Dies kann bei Stalking in einem Ehe-Kontext längerfristig nach einer zivilrechtlichen Regelung über die Nutzung des ehemals gemeinsamen Domizils verlangen.
Schutzmassnahmen können auf zivilrechtlichem Weg (Art. 28b und 28c ZGB) erwirkt werden. Hilfe und genauere Erklärungen erhält das Opfer bei Opferberatungsstellen.
Unbefugtes Weiterleiten von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten (Art. 197a StGB)
Rachepornografie (Revenge Porn) bezeichnet das Weiterleiten bzw. die Veröffentlichung von nicht öffentlichem sexuellem Inhalt (Fotos, Videos oder Schrift) ohne Zustimmung der darin erkennbaren Person an eine Drittperson. In der Regel geschieht dies, um die Person zu demütigen und zu schädigen. Dies führt oft zu schwerwiegenden emotionalen, sozialen und beruflichen Konsequenzen für die Opfer.
Warum zur Polizei gehen?
Stalkerinnen und Stalker können gefährlich werden, da sie oft unter einer verzerrten Wahrnehmung leiden und die Ablehnung seitens ihrer Opfer falsch interpretieren oder gar nicht wahrnehmen.
Auch wenn das Stalking-Verhalten zu Beginn des Prozesses eher als unangenehmes Eindringen in die Privatsphäre, denn als gefährliche Drohung wahrgenommen wird, können sich die anfänglich vermeintlich wohlwollenden Handlungen des Stalkers / der Stalkerin schnell verändern. Physische und sexuelle Gewalt sind bei ihnen verbreitete Mittel, um ihre Ziele zu erreichen.
Es ist bekannt, dass viele Stalker/-innen von ihrem Tun ablassen, wenn Behörden reagieren. Je früher ihnen von offizieller Seite deutlich Grenzen gesetzt werden, desto wahrscheinlicher stoppen die Stalking-Handlungen, und es kommt nicht zu verheerenden Folgen für die Betroffenen. Einen Stalker/eine Stalkerin den Behörden nicht zu melden aus Angst vor negativen Reaktionen ist also nicht angezeigt.
Einige Korps in der Schweiz führen bereits Stalking-Beratungsstellen oder verfügen über Stalking-Fachleute. Zudem gibt es in vielen Polizeikorps ein sogenanntes Bedrohungsmanagement. Ein Bedrohungsmanagement dient der Erkennung, Einschätzung und Entschärfung von Bedrohungslagen und Gefährdungssituationen.

Was tut die Polizei?
Bei einer Anzeige wird die Polizei in einem ersten Schritt die Gesamtumstände in Erfahrung bringen und bei einfach erfassbaren resp. eindeutig strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen eine Anzeige aufnehmen. Allenfalls wird ein Bedrohungsmanagement eingeschaltet.
Die Gesetzgebung sieht in praktisch allen Kantonen die Möglichkeit vor, Stalkerinnen und Stalker als mögliche Gefährder anzusprechen, je nach Risikoanalyse vorläufig festzunehmen sowie ein befristetes Kontakt- und Rayonverbot gegenüber dem Opfer und allfälligen Kindern auszusprechen, falls nötig unter Androhung von strafrechtlichen Konsequenzen bei Missachtung.
Wenn die Grundlagen nicht ausreichen, um Massnahmen gegen den Stalker/die Stalkerin zu ergreifen, wird die betroffene Person informiert, wie sie sich verhalten soll und dass sie bei akuter Bedrohung jederzeit den polizeilichen Notruf (Tel. 117) wählen soll.
Was kann ich tun?
Was können Sie als betroffene Person tun?
- Setzen Sie Grenzen! Machen Sie dem/der Stalker/-in einmal und unmissverständlich klar, dass Sie keinen Kontakt (mehr) wünschen; im Idealfall vor Zeugen und/oder schriftlich festgehalten. Bleiben Sie danach konsequent und gehen Sie nicht auf nachfolgende Kontaktversuche oder andere Handlungen ein. Sollte dies nicht möglich sein, beispielsweise weil die Interessen der gemeinsamen Kinder von Opfer und Stalker/-in vertreten werden müssen, sollte ein ruhiger, höflicher, aber distanzierter Kontakt mit ihr/ihm gepflegt werden.
- Informieren Sie Ihr soziales Umfeld: Ein offener Umgang mit der Problematik bietet Schutz vor Missverständnissen und Fehlschlüssen und verhindert, dass der/die Stalker/-in bei Drittpersonen Informationen über Sie einholt.
- Dokumentieren Sie alle Vorkommnisse: Durch das Führen eines Stalking-Tagebuchs, in dem Sie alle Handlungen der Tatperson, wenn möglich mit Datum, Uhrzeit, Fotos, Screenshots etc. aufzeichnen, kann der Stalking-Verlauf rekonstruiert werden. Dies hilft Ihnen, Ihre Glaubwürdigkeit vor den Behörden zu untermauern. Zudem dienen solche Informationen dem Zweck der Beweissicherung. Sie haben die Möglichkeit, ein Online-Tagebuch mithilfe eines sicheres Tool Safe withyou auszufüllen.
- Suchen Sie Unterstützung: Stalking kann eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Psyche und der Lebensgestaltung des Opfers zur Folge haben. Schämen Sie sich nicht und suchen Sie sich professionelle Hilfe. Unterstützung können beispielsweise Opferhilfestellen bieten.
- Geben Sie sich keine Schuld: Stalking kann jede/-n treffen! Wenn Sie meinen, selbst schuld zu sein, dass es so weit gekommen ist, denken Sie dran: Sie sind Opfer, der/die Stalker/-in ist Täter/-in!
- Trennen Sie sich auch auf digitaler Ebene: Im Falle einer Trennung von Ihrem/Ihrer Ex-Partner/-in stellen Sie sicher, dass Sie auch die alleinige Kontrolle über Ihre Geräte, Konten und Anwendungen haben. Ändern Sie alle Ihre Passwörter. Blockieren Sie die verschiedenen Telefonnummern und E-Mail-Adressen Ihres Ex-Partners/ Ihrer Ex-Partnerin auf Ihren verschiedenen Konten und Geräten. Deaktivieren Sie die Geolokalisierung auf Ihrem Mobilgerät und in Ihren Anwendungen. Kontrollieren Sie, ob alle Ihre Profile in sozialen Netzwerken als privat markiert sind, und überprüfen Sie dort die Liste Ihrer Kontakte.
Was können Sie als Angehörige tun?
- Spielen Sie nicht den Vermittler oder die Vermittlerin! Die heikle Situation kann sich nicht nur durch unüberlegtes Handeln des Opfers verschärfen, sondern ebenfalls durch jenes der Angehörigen. Angehörige sollten Stalker/-innen weder zur Rede stellen noch versuchen, zwischen dem/der Stalker/-in und dem Opfer zu vermitteln. Der Schutz des Opfers hat oberste Priorität und dadurch empfiehlt sich im Allgemeinen auch ein konsequenter Kontaktabbruch mit der Stalkerin bzw. dem Stalker. Zudem sollte Wert auf die Privatsphäre des Opfers gelegt werden. Häufig versuchen Stalker/-innen über das Umfeld an aktuelle Informationen über die Zielperson zu gelangen. Werden Gespräche dieser Art nicht konsequent abgeblockt, kann dies den Boden für weitere Handlungen nähren.
- Unterstützen Sie die betroffene Person: Die wichtigste Aufgabe der Angehörigen liegt darin, das Opfer zu unterstützen. Viele Betroffene fühlen sich durch die Stalking-Handlungen hilflos und verlieren schnell an Selbstbewusstsein. Ein sozialer Rückzug ist oft die Folge. Nahestehende Personen sollten dies zu vermeiden versuchen, indem sie den Kontakt zum Opfer suchen und es unterstützen, den gewohnten Arbeits- und Freizeitaktivitäten nachzukommen. Signalisieren die Betroffenen das Bedürfnis ein offenes Gespräch zu führen, sollten die Angehörigen aufmerksam zuhören und die Schilderungen der Betroffenen nicht in Frage stellen. Stalking-Opfer leiden oft unter dem Unverständnis ihres Umfelds. Zudem können Verwandte und Freunde die Betroffenen bei dem oft schwierigen Gang zur Polizei oder zu einer Beratungsstelle unterstützen. Das gemeinsame Ausfüllen des Stalking-Tagebuches als wöchentliches Ritual erleichtert den Betroffenen eine konsequente Dokumentation der Vorfälle und vereinfacht oftmals den Einstieg in ein offenes Gespräch.
Stalking: Grenzen setzen!
Informationen für Betroffene
Das Faltblatt erklärt Betroffenen, mit welchen Strategien und konkreten Massnahmen sie sich am besten gegen Stalker/Stalkerinnen zur Wehr setzen. Sie informiert über die Gesetzeslage, die polizeilichen Massnahmen sowie über Organisationen, die Betroffene beraten.
Beratungsstellen
Unterstützung erhalten Sie bei folgenden Organisationen:
- In jedem Kanton gibt es eine kantonale Opferberatungsstelle, welche die Opfer in psychischen, rechtlichen und finanziellen Belangen berät.
- Tritt Stalking im Rahmen einer ehemaligen Paarbeziehung auf, können Frauen in Notsituationen vorübergehend Schutz in einem Frauenhaus finden.
