
«Take It Down»; eine technische Lösung zur Einschränkung der Verbreitung intimer Inhalte online
| Vinciane Rouiller
Das Versenden von persönlichen Bildern oder Videos mit sexuellen oder intimen Inhalten über elektronische Medien, das sogenannte Sexting, kann verschiedene, ebenso unbeabsichtigte wie unangenehme Folgen haben. Mit der Plattform «Take It Down» (= «Nimm’s wieder runter») gibt es jetzt eine neue technische Möglichkeit, intime Inhalte, die unerwünscht im Netz weiterverwendet oder sogar zu kriminellen Zwecken missbraucht werden, in vielen Fällen wieder gelöscht werden können.
Vor allem folgende drei Probleme treten häufig im Zusammenhang mit «Sexting» auf:
- Rachepornografie: Die Person gibt das Bild oder das Video, das ihr anvertraut wurde,
an Dritte ohne die Einwilligung der betroffenen Person weiter oder veröffentlicht es online. - Sextortion: Die Person nutzt das Bild oder das Video, das ihr anvertraut wurde, um die betroffene Person zu erpressen.
- Grooming: Die Person nutzt das Bild oder das Video, das ihr anvertraut wurde, um die betroffene Person zu nötigen, ihr mehr intime Fotos und Videos zu senden.
Obwohl Sexting seit dem Inkrafttreten des neuen Sexualstrafrechts am 1. Juli 2024 unter bestimmten Bedingungen nicht mehr strafbar ist, ist neu Rachepornographie strafbar. Ebenso sind sowohl die Erpressung (Sextortion) als auch die Nötigung (Grooming) strafbar.
Unabhängig von der Strafbarkeit führt der Missbrauch von Sexting oft zu schwerwiegenden emotionalen, sozialen und beruflichen Konsequenzen für die Opfer. Für sie bedeutet dies nicht nur, dass ihr Vertrauen missbraucht wurde, sondern auch, dass sie damit leben müssen, die Kontrolle über ihre Bilder oder Videos im Internet verloren zu haben, so dass diese missbraucht werden können.
Ausmass und Verbreitung
Laut der JAMES-Studie 2022 (Befragung von 12–19-Jährigen) betrifft diese Problematik Jugendliche folgendermassen:
- Pornografie und Erotik: Etwa zwei Fünftel der Jugendlichen haben schon einmal erotische Fotos oder Videos von anderen erhalten. Deutlich weniger Jugendliche (ca. 12%) geben an, schon selbst erstelltes erotische Foto- oder Videomaterial verschickt zu haben: 1% in der Altersgruppe 12–13, 6% in der Altersgruppe 14–15 und 18% in der Altersgruppe 16–17.
- Cybermobbing und sexuelle Belästigung im Internet: Genau ein Drittel der Jugendlichen wurde schon mindestens einmal von einer fremden Person aufgefordert, erotische Fotos von sich selbst zu verschicken.
Was kann man tun?
Um die Risiken zu minimieren bzw. die negativen Konsequenzen im Zusammenhang mit Sexting zu verhindern, empfehlen wir Jugendlichen:
- möglichst darauf zu verzichten, intime Bilder oder Videos einer anderen Person zu versenden;
- online nur das zu teilen, was sie auch offline mit Fremden teilen würden, und
- auf Social Media sowie beim gemeinsamen Chatten, Gamen und Streamen aufzupassen: Echte Freundschaften können zwar auch online entstehen, jedoch weiss man nie, wer sich hinter einem Profil verbirgt.
Wenn man jemandem ein intimes Bild oder Video trotzdem schickt, der es dann ohne Einwilligung online veröffentlicht oder damit nötigt oder erpresst, empfehlen wir:
- mit einer erwachsenen Vertrauensperson aus der Familie oder der Schule darüber
zu sprechen. - sich bei Unsicherheiten oder Fragen bei der Schweizerischen Kriminalprävention oder
bei der Meldestelle clickandstop.ch zu melden und - Anzeige bei der Polizei zu erstatten.
Um die Verbreitung von Bildern oder Videos zu verhindern bzw. zu minimieren, empfehlen wir ausserdem, technische Massnahmen zu verwenden, wie sie neuerdings auf der Plattform «Take It Down» der Organisation NCMEC (National Center for Missing & Exploited Childen) angeboten wird, die sich für die Reduzierung der sexuellen Ausbeutung von Kindern einsetzt. Dabei ist zu beachten, dass das jeweilige intime Bild oder Video der Person vor deren 18. Geburtstag aufgenommen worden sein muss.
Wie funktioniert «Take It Down»? Hier ein Beispiel:
Jemand erpresst einen Jugendlichen mit einem Nacktbild von ihm, das vor seinem 18. Lebensjahr aufgenommen wurde, oder das Bild wird ohne seine Einwilligung online veröffentlicht. Dieser meldet das bei «Take It Down», ohne das Bild hochzuladen oder zu schicken. Es wird nur der eindeutige digitale Fingerabdruck, der so genannte Hashwert der Datei, generiert und zu einer Liste hinzugefügt, die bei NCMEC gespeichert wird. Niemand bekommt also die tatsächlichen Bildinhalte zu Gesicht. Die am «Take It Down»-Dienst teilnehmenden Online-Plattformen1 haben Zugang zu dieser Liste und können einen Abgleich zu den Hashwerten der Bilder und Videos auf deren Online-Plattformen machen. Die Plattform-Betreiber können bei einem Treffer entsprechende Massnahmen einleiten, um deren Verbreitung einzuschränken oder ganz zu verhindern, das heisst, das Material löschen und gegebenenfalls NCMEC melden. Beim Erhalt der weitergeleiteten Daten meldet NCMEC an fedpol, wenn das entsprechende Bild von einem Schweizer Server aus online gestellt wurde. fedpol übernimmt dann die weitere Bearbeitung des Falls, prüft die eingehende Meldung auf einen Tatverdacht nach Schweizer Gesetz und leitet sie gegebenenfalls an die zuständigen kantonalen Strafverfolgungsbehörden weiter.
Die Dienstleistung kann auch dann genutzt werden, wenn man nicht sicher ist, ob ein Bild oder ein Video missbräuchlich verbreitet wurde.